Stille und Aufbruch

Ich habe nachgesehen. Seit fünf Monaten habe ich hier nichts mehr verfasst. Fünf Monate. Das ist fast ein halbes Jahr. Weihnachten lag darin und Ostern auch. Die meiste Zeit habe ich aus gegebenem Anlass beide Kinder hier und meistens stört mich das gar nicht. Aber ich komme nicht zu viel. Die Küche bleibt oft unberührt liegen und der Schreibtisch auch.
Ein befreundeter Künstler –
Micha Kunze ( https://www.instagram.com/michakunze_/?hl=de )
schrieb letztes Jahr einen Text, den ihr unter „Grabesstille“ findet. Meiner Meinung nach ein sehr gelungenes Stück. Der Satz den ich zur Zeit immer wieder im Kopf habe:


„Vielleicht ist Grabesstille nur ein Zeichen für was Neues.“

Lies das nochmal: „Vielleicht ist Grabesstille nur ein Zeichen für was Neues.“


Ja. Vielleicht.
Hier herrscht seit fünf Monaten Grabesstille. Und wie ich letztes Jahr schrieb, ich würde mich wie eine Knospe fühlen, die sich langsam traut sich zu öffnen, so merke ich jetzt: Das alles braucht noch Zeit. Es geht einfach nicht von heute auf morgen. Ich sehe es an unserem Garten. Wie die ersten grünen Blättchen sich entfalten und ich mich irre freue, weil aus kleinen Zwiebeln, die ich letztes Jahr gepflanzt habe nun etwas hervorlugt. Aber die allermeisten Pflanzen brauchen noch eine ganze Weile, bis sie erblühen. Und ich auch. In meinem Kopf überschlagen sich 50Millionen Gedanken und Ideen. Ich möchte sie erst noch ein bisschen wachsen lassen.
Also – haltet die Grabesstille hier noch ein kleines bisschen mit mir aus.
Vielleicht – ich wage zu sagen: Wahrscheinlich – ist sie nur ein Zeichen für was Neues.


So. Es ist soweit. Ich bin jetzt soweit, das hier mit der Welt zu teilen.
Im Tune-up-music Studio habe ich meine erste Serie eingesprochen. Als den gutmütigen Bill Hanz und die tatkräftige Bibi Bilanzierung könnt ihr den fabelhaften Tobias Schuffenhauer der TOS-Hörfabrik und mich bald bei Youtube finden. Das Ganze ist ein Projekt von der JLU Gießen und wir haben wirklich mitgefiebert mit den beiden. Ihr dürft gespannt sein…


Als die Forsythie blühte
da wurde die Welt plötzlich krank.
Das Leben wurde lahm gelegt,
auch Nerven lagen blank.
Wir nahmen´s anfangs nicht ganz erst,
–  meinten, das geht schon vorbei.
Doch schnell griff es um sich,  die Leut wurden krank
Und nicht nur ein oder zwei,
als die Forsythie blühte.

Als die Forsythie blühte
wurde mein Herz manchmal schwer,
Der Kontakt zu andern Menschen
der fehlte mir so sehr.
Die Berührung einer Freundin,
oder meine Eltern treffen
Oder Ostern feiern können
Mit Schwestern, Schwagern, Neffen.
Als die Forsythie blühte.

Als die Forsythie blühte
Fragte ich: was kann ich beten?
Und mein Geist und meine Seele
schwiegen beide nur betreten
Doch gab es andre Menschen,
die Worte dafür fanden,
die mit Sorgen, Zweifeln, Ängsten
vor unserm Gott nun standen.
Als die Forsythie blühte.

Als die Forsythie blühte
Da sind wir zu Hause geblieben.
Das Klopapier war ausverkauft,
es wurde Geschichte geschrieben.
Das Ende davon ist noch nicht in Sicht
denn während der Himmel erglüht
Seh ich im Garten gleich neben der Kirsche,
dass die Forsythie blüht.

So, liebe Leute
heute gibts was für meine Oma. Diesen Text habe ich ihr vor sage und schreibe sieben Jahren geschrieben – zu ihrem 90. Geburtstag. Und weil sie die Worte bestimmt schon vergessen hat, schreibe ich sie euch, damit ihr alle mal mitkriegt, wie bezaubernd meine Omi ist. Und morgen, Oma – wenn ich nicht so müde bin und unsere Kinder vielleicht schlafen, dann schreibe ich dir diesen Text mit Tinte und Feder – so wie du es dir schon vor sieben Jahren gewünscht hast.

Wenn ich über Oma nachdenke, dann denke ich immer wieder:
Meine Oma ist wie das Meer.
Wie das Meer ist Oma wunderschön, verwegen, tiefgründig, geheimnisvoll und uralt. 😉
Seit ich denken kann ist sie – wie das Meer – immer gleich.
Kurze Haare, gemütliche Figur, so eine zum reinkuscheln und in unserer Gegenwart hatte sie eigentlich fast immer ein Lächeln auf den Lippen.
Nur manchmal – in so kleinen unbeobachteten Momenten, da huschte ein Ausdruck auf ihr Gesicht, an dem man merkte, dass sie mehr gesehen hat, als man vermutet und sie preisgibt.

Wie das Meer, ist sie immer gleich. Manchmal – ganz selten, wurde eine Flaschenpost an Land gespült, die uns von früher erzählte. Und für uns war es so spannend, diese Geschichten zu hören.
Wie sie den Dienst im Krankenhaus tauschte und nur dadurch überlebte.
Oder wie sie den russischen Soldaten Kuchen gab.

Manche Dinge versteht man erst, wenn man älter wird.
Schmerz  ist so eine Sache. Damals wussten wir noch nicht, wie schmerzlich ein Krieg ist.
Und selbst heute können wir uns nur eine schwache Ahnung davon malen.

Wie das Meer, ist meine Oma immer gleich. Nur ihre Utensilien haben gewechselt.
Den Pinsel und die Flöte legte sie irgendwann aus der Hand und tauschte sie gegen eine immer größer werdende Lupe.
Aber manche Sätze, die blieben: „Ach, schau mal – der hat doch ein Gesicht, das man malen möchte!“
Und gemalt hat sie. Ich erinnere mich da an diesen Nachmittag, an dem wir in ihrem Wohnzimmer saßen und sie ihre Schätze für uns auspackte.
Und immer sagte sie: „Ach nein, das ist nicht gelungen.“
Oder: „Naja – das war ja nur so dahingekritzelt.“
Oder „Wie, das gefällt dir? Ach Nein!“
Und uns stand der Mund offen vor staunen, wie wunderbar sie gemalt hat.
Einmal hat sie mich porträtiert. Ich kann mich daran nicht mehr erinnern.
Aber ich liebe dieses Bild. Das mit der blauen Latzhose, dem rosa Pulli und den Schäfchen im Hintergrund.
Da hing ich immer – im Schlafzimmer meiner Eltern – inmitten meiner Familie; ihrer Familie.
Und manchmal erkenne ich Eigenschaften von ihr in mir.
Wenn ich einen Stift zur Hand nehme und versuche, mit Wörtern loszumalen, dann denke mir oft – „Also – nein, das ist mir nicht gelungen!“
Und wenn ich in Rostock am Strand sitze, den Schatten eines kleinen Piraten ganz oben auf dem Klettergerüst sehe, der den Wind seine Haare zerzausen lässt, während der blutrote Feuerball im Meer ertrinkt, dann denke ich bei mir: „Ach, schau mal – der hat doch eine Silhouette, die man malen möchte!“
Wie das Meer ist meine Oma weit – und das meine ich nicht im Bezug auf ihre Körperfülle – nein, sie hat ein weites Herz. Und sie hat einen weiten Horizont. Und immer wenn ich diese Weiten erblicke, dann erweitert sich ganz automatisch auch mein Herz, auch mein Horizont.
Genug Lebensstürme hat meine Oma erlebt, diese rauen Stürme, die so wehtun und die Zerstörung bringen und einen Neuanfang fordern.  Aber sie erlebt auch so schöne Sonnentage.
Solche, wie heute.
An denen wir sie in all ihrer Schönheit bewundern, meine Oma, die wie das Meer ist.

Auf ihre Art ist meine Oma immer gleich, aber sie scheut sich auch nicht vor Veränderung. Sie überrascht immer wieder. Man ist nie zu alt um etwas Neues zu beginnen. Etwas Neues zu lernen.
Das habe ich von dir gelernt.
Und wie das Meer, so sehe ich dich immer zu selten. Und immer wenn ich bei dir bin, nehme ich mir vor, dich öfter zu besuchen. Und wie das Meer, liebe ich dich, meine Oma. Immer. Alles Gute zu deinem Geburtstag!
Und weil du Reime so liebst hab ich hier noch einen für dich:

Ich lebe in Rostock
wer kann ich denn sein?
Versuch den Spagat
zwischen Arbeit und sein.
Das Studium das kommt dann ja auch noch dazu,
und lässt mir zur Freizeit gar kaum noch die  Ruh.

Du hast es erraten,
du weißt schon Bescheid,
du hast eine Ahnung,
wer diesen Reim schreibt.
Es ist deine Almut, die Erzieherin ist,
und den Spaß an der Freude niemals vergisst.

Und bin ich am Meer, dann denk ich an dich,
meine Oma, ich lieb dich, vergiss das nur nicht.

 

 

Hallo ihr da draußen,
zwei Monate ist diese Website alt und ich habe es bisher nicht geschafft, euch was Neues zu bieten. Das liegt daran, dass sich bei mir gerade ungefähr eine Millionen neue Dinge tun. Wir sind umgezogen. Die Wohnung sieht schon super aus, aber meine Hor(or)mone sagen mir manchmal, dass JETZT SOFORT ALLES fertig sein muss. Gestern war ich beim Yoga und in der Meditation las die Kursleiterin die Geschichte von Beppo dem Straßenkehrer vor. Sucht sie einfach mal in der Suchmaschine eurer Wahl  und führt sie euch zu Gemüte. Mich jedenfalls hat sie wieder neu bewegt und ich bin Gott dankbar für kreative Köpfe, die solche Geschichten erfunden haben.
Also mache ich jetzt erstmal einen Atemzug, bevor ich den nächsten Schritt und den nächsten Besenstrich tue und versuche, immer nur die nächste Aufgabe vor mir zu sehen. Niemals die ganze Straße.
Und meine nächste Aufgabe ist 20min Pause machen, bevor der Große wieder aufwacht.
Machts gut, ihr Nasen! Und nehmt euch ein Beispiel an Beppo!

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